04.03.2024
Neurodermitis - ganzheitlich betrachtet und begleitet
Neurodermitis - ganzheitlich betrachtet und begleitet

Interview mit Natalie Stadelmann
Neurodermitis ist eine der häufigsten chronischen Hautkrankheiten, die Betroffene ein Leben lang begleitet und nicht heilbar, aber behandelbar ist. 
Natalie Stadelmann, PTA, Aromaexpertin und Fachberaterin für Kosmetik und Dermopharmazie zu ganzheitlicher Prävention und Behandlungsmöglichkeiten.

Was bedeutet Neurodermitis?
Die Neurodermitis (Atopische Dermatitis AD) ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Im Babyalter zeigt sich Neurodermitis vor allem durch Ekzeme und Entzündungen, gerötete, nässende Herde mit Bläschen, Schuppen und Krusten, im Gesichtsbereich, dem Rumpf, den Extremitäten (Arme und Beine), den Handgelenken und dem Kopf (nicht zu verwechseln mit dem harmlosen Kopfgneis!). Bei älteren Kindern und Erwachsenen hingegen treten die Hautveränderungen, trockene, schuppige Haut mit schubartigen Rötungen und Entzündungen, typischerweise in den Gelenkbeugen, den Handrücken und im Gesicht-Nacken-Bereich auf. 
In der Regel verläuft die Erkrankung in Schüben. Neben Phasen, in denen es zu einer Beruhigung bis zur vollständigen Ausheilung der Hautentzündungen kommt, treten abhängig von inneren und äußeren Faktoren Phasen mit extremem Juckreiz, Trockenheit, Ekzembildung bis hin zu nässenden Entzündungsreaktionen auf.

Was spricht gerade bei Neurodermitis für einen ganzheitlichen Blick auf das Krankheitsbild?
Neurodermitis hat, neben der genetischen Veranlagung, eine multifaktorielle Entstehung. Neben der Neigung zur Allergiebereitschaft zeigt die Haut Störungen im Aufbau und der Barrierefunktion sowie der bakteriellen Besiedelung. Dazu kommen individuelle Triggerfaktoren, die einen Entzündungsschub auslösen können. Insbesondere emotionale Aspekte, Aufregung oder Stress und psychische Belastungen können, quasi wie ein Zündfunke, zu einem akuten Neurodermitis-Schub führen.
Betroffene benötigen deshalb einen ganzheitlichen Präventions- und Behandlungsansatz: neben einer angepassten Hautpflege, einer guten Ernährung und ausreichend erholsamem Schlaf haben sich auch regelmäßige Achtsamkeitsübungen, Meditationen, Atemtechniken oder autogenes Training unterstützend bewährt. 

Warum tritt Neurodermitis häufig bei Kindern auf?
Bei Kindern sind einige der hauteigenen Schutzmechanismen in den ersten Lebensjahren noch nicht vollständig entwickelt. Vor allem die natürliche Hautschutz-Barriere, aber auch Enzymsysteme reifen erst im Laufe der Zeit heran. Deshalb ist zum Beispiel die Babyhaut typischerweise sehr sensibel und neigt zu Trockenheit und Rötungen. Bei vielen Neurodermitis-Erkrankten kommt es möglicherweise durch einen Enzymdefekt im Fettsäurestoffwechsel zu einem Mangel an der wichtigen Gamma-Linolensäure (GLA). Dadurch bedingt fehlt diese Fettsäure auch im Hautaufbau und es kommt zu einer fehlerhaften Ausbildung der Hautbarriere. Hinzu kommt meist noch eine verminderte Talg- und Schweißdrüsenfunktion (typisch im Baby- und Kleinkindalter), so dass wichtige Substanzen für den schützenden Hydrolipidfilm fehlen. Das bewirkt, dass die Haut extrem trocken, rissig und reizanfällig wird. Durch die Lücken in der Barriereschicht kann vermehrt Feuchtigkeit verdunsten und die Haut wird immer trockener. Allergene, Krankheitserreger oder irritierende Substanzen können eindringen und Entzündungsreaktionen auslösen. Diese führen zu Juckreiz, Schmerzen und weiteren Barrierestörungen. Kommen dann noch andere Störfaktoren hinzu, z.B. zu häufiges intensives Waschen, falsche Hautpflege, aber auch Allergene, Stress oder Infekte, dann führt dies schon im frühen Kindsalter zu einer Manifestation der Neurodermitis. Die gute Botschaft dabei ist: sobald sich die Haut im Laufe des Heranreifens selber immer mehr stabilisiert, wird sie auch resistenter gegenüber äußeren Einflüssen, zudem kommt es mit zunehmendem Alter bei den meisten Kindern auch zu einer Toleranzentwicklung gegenüber bestimmten Allergenen und die Häufigkeit und Intensität der Neurodermitisschübe reduziert sich dadurch.

Welche Rolle spielen Schlaf und die Ernährung?
Ausreichend erholsamer Schlaf ist für die Regeneration des Körpers sehr wichtig. Im Schlaf findet nicht nur eine Stressreduktion und Absenken des Cortisol-Spiegels statt, auch der Flüssigkeitsausgleich zwischen den verschiedenen Körperbereichen sorgt für eine Befeuchtung der Haut. Schlafmangel führt zu erhöhten Spiegeln an Entzündungs- und Stresshormonen, psychischer Belastung, weiterer Destabilisierung der Haut und verstärktem Juckreiz. Wobei gerade letzterer wiederum den Schlaf häufig stört und deshalb oft juckreizlindernde Maßnahme vor allem am Abend und in der Nacht wichtig sind.
Gerade im Baby- und Kleinkindalter besteht relativ häufig ein Zusammenhang zwischen akuten Entzündungsschüben und ernährungsbedingten Auslösern. In etwa 30-40 % der Fälle leiden die Kleinen an einer nahrungsmittelbedingten Unverträglichkeit oder Allergie, die zum Ausbruch bzw. zur Verschlimmerung von Hautsymptomen führen kann. Eine vorbeugende Allergiediät ist keinesfalls empfehlenswert! Es müssen immer die Relevanz und das Ausmaß der Auswirkung geprüft werden! 
Bei wenigen Betroffen können auch natürliche und künstliche Lebensmittelinhaltsstoffe wie Farb-, Konservierungs- oder Süßstoffe sowie Geschmacksverstärker, aber auch natürliche Aromastoffe zu Reaktionen und einer Verschlimmerung der Hautsymptome führen. Reizstoffe wie zum Beispiel Zitrusfrüchte oder scharfe Gewürze können zu verstärktem Juckreiz führen und damit den Verlauf ungünstig beeinflussen.
Grundsätzlich ist eine vielfältige ausgewogene pflanzenbetonte Ernährung mit ausreichend Vollkorngetreide, Obst und Gemüse, vollfetten Milchprodukten und hochwertigen Pflanzenölen empfehlenswert. 

Welche Bedeutung hat die Hautpflege?
Gerade im Bereich der Hautpflege können Betroffene enormen Einfluss auf den Verlauf und die Schwere der Neurodermitis Ihres Kindes nehmen. Unumgänglich ist dabei eine gut verträgliche und hautschützende Basispflege, um die Haut in Ruhephasen möglichst lange beschwerdefrei zu halten und die Barrierefunktion zu unterstützen. 
Die Darreichungsform wird abhängig vom Hautzustand gewählt, meist werden fette Wasser-in-Öl- Cremes verwendet, je akuter und nässender die Haut sich zeigt auch leichtere Öl-in-Wasser-Zubereitungen, Lotionen und feuchte Umschläge. Vor allem Nachtkerzen-, Hanf- und Borretschsamenöl haben sich zur Basispflege bewährt, da diese reich an Gamma-Linolensäure sind und auf diese Weise die Haut von außen nähren und pflegen, aber auch schützende und feuchtigkeitsbindende Sheabutter. In akuten Phasen mit Entzündung, Juckreiz, möglicherweise sogar Nässen und Wundsein der Haut, muss dann individuell für Heilung und Regeneration gesorgt werden. Im Akutfall helfen besonders naturreine Pflanzenhydrolate und feuchte Umschläge mit Schwarztee (Camellia sinensis), Gänseblümchen (Bellis perennis) oder Stiefmütterchenkraut (Viola tricoloris). Getrocknet erhalten Sie diese sogar ganzjährig in der Apotheke. 
Zu häufiges und falsches Baden, Entfetten der Haut durch Seifen und Reinigungsmittel, die Verwendung irritierender und barriereschädigender Körperpflegemittel (synthetische Duftstoffe, Konservierungsmittel, Paraffine, Silikonöle) stören die Barrierefunktion der Haut erheblich und können einen Neurodermitis-Schub forcieren.

 

Produktempfehlungen
Tipps für eine gute Hautpflege:

  • Reinigung mit milden Tensiden, ohne starkes Reiben und Rubbeln, z.B. mit dem Dusch & Shampoo Cistrose
  • 2x wöchentlich rückfettende (Öl)bäder, nur warmes Wasser, 5-10 Minuten, z.B. mit dem Dusch & Ölbad Cistrose, vorsichtig abtupfen, anschließend cremen
  • 2x täglich großzügig eincremen oder feucht einölen. Bei Bedarf auch häufiger, z.B. mit der Hand- und Körperemulsion oder einer Kombination aus Cistrosenöl (gibt es für Kinder und Erwachsene) und Rosenhydrolat
  • vor dem Cremen die Hände waschen
  • Pflegeprodukte dem Hautzustand und der Körperregion anpassen (Gesicht, Körper, Windelbereich); z.B. Cistrosencreme für das Gesicht und besonders trockene Hautstellen, Windelbalsam für den Windelbereich
  • Kälteschutz im Winter (fettend, wasserfrei), z.B. mit der Kälteschutzsalbe
  • Vernünftiger Sonnenschutz nach der Regel „meiden-kleiden-cremen“ und gute Pflege nach sonnigen Tagen, z.B. mit der Sonnenpflege intensiv Schüttelemulsion

 

Quellenangaben:
Stadelmann Natalie: Babyernährung bei Allergien und Unverträglichkeiten; Verlag Kneipp, ISBN 978-3708807089 1. Edition (9. Januar 2017) 
Stadelmann Natalie: Die ersten 1000 Tage Informiert und entspannt durch die Schwangerschaft und ersten beiden Lebensjahre; Stadelmann Verlag, 1. Auflage 2023, ISBN: 978-3-96914-011-6, erscheint im Sommer 2024

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