Lassen Sie sich in die faszinierende Welt der Düfte entführen. Unsere Gesprächspartnerin Gisela Hillert ist Apothekerin, Aromaexpertin und Referentin der Bahnhof-Apotheke. Seit längerem befasst sie sich intensiv mit duftenden Begleitern für Gesundheit und Wohlbefinden.
Frau Hillert, können Düfte unsere Gefühle lenken?
Selbstverständlich! Um es mit den Worten von Patrick Süskind in seinem Roman „Das Parfüm“ zu sagen: „Es gibt eine Überzeugungskraft des Duftes, die stärker ist als Worte, Augenschein, Gefühl und Wille. Die Überzeugungskraft des Duftes ist nicht abzuwehren, (…) sie erfüllt uns, füllt uns vollkommen aus, es gibt kein Mittel gegen sie.“
Was sich besonders in der Liebe zeigt.
Nicht umsonst heißt es, zwischen den beiden stimmt die Chemie. Die können sich gut riechen. Auch das Baby erkennt die Mutter zunächst am Geruch. Die Geruchsnerven führen direkt ins limbische System, das für unsere Gefühle und damit verbundenes Handeln zuständig ist. Dabei wird der Thalamus, „das Tor zum Bewusstsein“, zunächst nicht berührt, sodass das denkende Hirn außen vor bleibt. Der Duft dringt also tief ins Unterbewusstsein ein und ist mit Vernunft nicht kontrollierbar.
Welche weiteren Funktionen erfüllen Düfte?
Düfte nehmen über das limbische System auch Einfluss auf übergeordnete hormonelle Steuerzentralen im Gehirn sowie auf unser vegetatives Nervensystem und damit auch auf körperliche Funktionen wie Atmung, Kreislauf, Blutdruck und Verdauung. Solche Regulationsmechanismen werden über Hormone und Nervenbotenstoffe, so genannte Neurotransmitter, vermittelt und können durch die duftenden Wirkstoffe von Pflanzen (ätherische Öle) beeinflusst werden. An diesen Schaltstellen wird deutlich, wie eng Körper, Geist und Seele miteinander verbunden sind.
Düfte wecken oftmals Erinnerungen. Wie das?
Düfte werden gemeinsam mit erlebten Situationen im Hippocampus abgespeichert. So können sie auch nach Jahrzehnten intensive Empfindungen in uns hervorrufen. Es erscheint die damit verknüpfte Situation bildhaft in der Erinnerung.
Gibt es einen Duft, der weltweit als wohlduftend gilt?
Jeder Mensch hat eigene Duftvorlieben. Viele sind aus Erfahrungen geprägt oder anerzogen. Mit „guten“ Gerüchen verbinden wir Sauberkeit, Sympathie und soziale Zugehörigkeit. Während „schlechte“ Gerüche Antipathie und Unreinheit signalisieren sowie zur Vorsicht mahnen: Achtung, Gefahr! Der Duft von Orangenschalen wird von vielen als gut riechend empfunden, da Orangen oft an Weihnachten oder den Urlaub im Süden erinnern. Auch Lavendelduft ist für die meisten Menschen ein Wohlgeruch.
Weil er beruhigt und den Schlaf fördert?
Der Duft des Lavendels betört seit Jahrhunderten Menschen. Er greift regulierend in den Stoffwechsel der Gehirnbotenstoffe ein, was wissenschaftlich nachgewiesen ist. Mit einer Lavendeleinreibung können wir besser einschlafen, weil unser Gedankenkarussell zur Ruhe kommt. Das gilt aber auch für andere Düfte, die das Ausatmen fördern wie zum Benzoe Siam, Vanille oder Tonka.
Zu guter Letzt, welchem Duft können Sie nicht widerstehen?
Bergamotte-Neroli! Meine absolute Lieblingsduftmischung für den Vernebler.
Gisela Hillert hat ihr umfassendes Wissen hier zu Buch gebracht: „Ätherische Öle, Duftende Begleiter für Gesundheit und Wohlbefinden“, KVC Verlag, 2018.
Wer noch tiefer in die Verbindung aus Duft und Gefühl einsteigen möchte, dem sei das Buch von Dr. Eva Heuberger, Dr. Iris Stappenregul und Rudolf von Rohr wärmstens empfohlen: „Riechen und Fühlen: Wie Geruchssinn, Ängste und Depressionen zusammenspielen - Neue Wege der Behandlung , fischer und gann, 2017.
